Als ich im Jahre 1969 das Licht der Welt erblickte, war die Welt bereits in ihrer unermüdlichen Existenz gefangen. Ich bin überzeugt, dass ich nichts weiter als eine Laune der Natur bin – ein feuchter, stoffwechselaktiver Zellhaufen, der ohne jede Bestimmung ins Dasein geworfen wurde. Die Natur hat mich geschaffen, ohne sich um Rechtfertigung oder Anspruch zu kümmern. So bin ich im Wesentlichen ein biologisches System, das sich mühsam aufbaut, nur um schliesslich in den Abgrund des Verfalls zu stürzen. Ein Episödchen im grotesken Spiel des Lebens, das sich mit einer gewissen Ironie entfaltet. Einfach so. Kein Schicksal, keine Notwendigkeit, kein Sinn – nur ein wenig Sternenstaub, der für einen flüchtigen Moment mit geschwellter Brust über seine eigene Absurdität nachsinnt. Das bin ich und werde es gewesen sein.
– David Werthmüller, Fräschels 2024
Künstler werden
Kunst und Kultur in der Jugend
Ich bin 1969 als Sohn eines Karthographen und einer deutschen Ops-Schwester auf die Welt gekommen. Nach meinem Bruder 1961, und meiner Schwester 1964. Meine Kindheit und Jugend erlebte ich in Köniz, nahe bei Bern.
Als Kind hatte ich das „Glück“, wegen der vielen kulturreichen Reisen meiner Eltern viele heute kaum noch zugängliche Kultstätten aus der Stein- und Bronzezeit in unberührter Natur besuchen zu können. (Schliesslich gab es da Eidechsen, Käfer und hin und wieder eine Schlange zu sehen.)
Diese Reisen waren oft begleitet von ungenauen Wegbeschreibungen, Sprachbarrieren und Strassen, die bestenfalls als Bachbett klassifiziert werden konnten. So sind mir so manche Ferien vor allem als Abenteuer in lieber Erinnerung.
Nach meiner Lehre als Maschinenmechaniker, traf ich Vorbereitungen, um meinen lange herbeigesehnten Traum zu verwirklichen. Ich wollte die Welt sehen und mir meine eigene Meinung bilden. Ich wollte einfach frei sein. So baute ich einen 30 Jahre alten Lada zu einem einfachen Forschungsvehikel um und brach 1991 zu einem Abenteuer mit ungewissem Ziel auf. Alleine mit meinem Hund durchquerte ich die Sahara. Bereit, alles hinter mir zu lassen und das Leben neu zu entdecken. So schaffte ich es bis an die Grenze von Kamerun. Bürgerkriegsähnliche Zustände zwangen mich leider nach 6 Monaten, in die Schweiz zurückzukehren. Auf dieser Reise habe zwar viel erlebt und gesehen, aber entdeckt habe ich vor allem mich selbst. Und damit hatte ich wirklich nicht gerechnet.
Autodidakt als Lebensentwurf
1995 entschied ich mich für einen neuen Lebensentwurf. So probierte ich verschiedene Ausdrucksformen aus, verwarf sie jedoch bald wieder als untauglich. In der Folgezeit widmete ich mich nächtlichen Experimenten mit einer selbst gebastelten Camera Obscura, frühmorgendlichem Zeichnen und nachmittäglichem Modellieren von Aktfiguren am Küchentisch. Zudem nahm ich an Kursen für Holzschnitt und Lithografie teil. Mein Eindruck verdichtete sich allmählich, dass die Zeichnung für mich das beste Medium sei, obwohl ich noch weit von zufriedenstellenden Ergebnissen entfernt war.
So beschloss ich, mich zunächst ausschliesslich der Zeichnung zu widmen und betrachte das Erlernen dieser Kunst bis heute als eines meiner größten Abenteuer. Dabei stellte ich mir grundlegende Fragen über meine Wahrnehmung und das Sehen selbst, sowie über die Möglichkeit, meine eigene Wahrnehmung zu kontrollieren. Dieses Forschen und Entdecken fesselte mich so sehr, dass ich es als Besessenheit empfand.
Vom Zeichner zum Eisenplastiker
Wie kam es dazu, dass sich der Fokus meiner Arbeit auf Skulpturen richtete? Obwohl Skulpturen aufgrund ihrer physischen Eigenschaften nur von einer Seite aus betrachtet werden können und somit höchstens Reliefcharakter aufweisen, ist es unser Wissen über ihre räumliche Dimensionalität, das unsere Wahrnehmung von ihnen beeinflusst. Eine dreidimensionale Skulptur, wie zum Beispiel ein Kopf, wird von uns nicht als flache Scheibe wahrgenommen, wenn wir sie von vorne betrachten. Stattdessen fügen wir unser Vorwissen über die räumliche Ausdehnung von Objekten hinzu und schaffen damit eine konstruierte Wirklichkeit.
„Zeichnen können ist wesentlich!“
Natürlich war mir bewusst, dass ich nicht der erste bin, dem auffällt, dass beim Zeichnen die Möglichkeit fehlt, das Dargestellte intensiver zu begreifen. Die Zeichnung vermag dies nur begrenzt zu leisten. Im Gegensatz dazu kann die Skulptur einen räumlichen Eindruck und den daraus resultierenden Ausdruck im Raum erzeugen. Aus diesem Grund erschaffe ich als Bildhauer Skulpturen.
Experimente mit flüssigem Eisen
Ab 1995 machte ich erste Versuche in Ton oder Gips zu modellieren. Darauf folgte eine Phase mit aus Leinwand gestalteten Figuren. Um diese haltbarer zu machen, wechselte ich zum kalten Verformen von Kupferblechen. Danach folgten zahlreiche Experimente mit flüssigem Eisen. So entwickelt sich über Jahre meine eigene Technik. Mein Werk besteht ausschliesslich aus handgefertigten Unikaten. Also keine „Giessereikunst“.
Wer sagt eigentlich, dass die Malerei schon entdeckt ist?
Anlässlich einer Ausstellung galt es den zugesprochenen Platz mit Bildern zu ergänzen. Papierarbeiten kamen wegen der Luftfeuchtigkeit nicht infrage. Also suchte ich nach einer Möglichkeit, meine Zeichnungen auf Leinwand zu bringen. Mit Tusche gelangen mir auf Anhieb Resultate, die mein Interesse für die Malerei wie aus dem Nichts wieder erweckten. Seit 2023 experimentiere ich auch mit Ölfarbe.
Heute lebe ich mit meiner Frau in Fräschels im Kanton Freiburg. Die beiden Töchter sind längst erwachsen und ausgeflogen. Die Leidenschaft für die Kunst und die Natur teile ich mit meiner Liebsten. So vergeht kein Tag ohne Arbeit im Atelier,im biodiversen Naturgarten oder in der Werkstatt.
Spätestens nach der Pandemie manifestierte sich meine grosse Liebe für französische Oldtimer und mein unbeirrbares Streben nach einem analogen Lebensstil. Mit grossem Widerstand wehre ich mich gegen Smartphones, E-Mails, Social Media, Bankkonten und Kreditkarten, stets aus guten Gründen heraus. Ausgestattet mit einer Landkarte, mein Vater war Kartograf, einem Feldstecher, einer Polaroidkamera und einer Ersatzzündspule reise ich gemeinsam mit meiner Liebsten durch Europa, fernab von der heutigen schnellen Zeit. Meine Blutwerte und mein Blutdruck erfreuen sich seither einer phänomenalen Gesundheit. Vorbei die Zeiten in denen es so viel zu entscheiden und zu beweisen galt.
“ Das ganze Unglück der Menschen rührt allein daher, dass sie nicht ruhig in einem Zimmer zu bleiben vermögen. “
— Blaise Pascal